Via Regia – Tag 16 bis Tag 20

08.10.2019 Dienstag
von Stedten nach Erfurt

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kühl, windigabends 25,26 4:24144 m171 m

Ich habe mich zwar in Stedten bemüht, meine Mitpilger nicht zu wecken, aber da meine Strecke doppelt so lang war, musste ich früh raus, während Felicitas, Magdalena und Norbert noch ausschlafen konnten. Das Bemühen war leider vergeblich. Daher konnte ich mich wenigstens noch verabschieden. Wir sind Freitag zusammen die halbe Strecke von Merseburg nach Freyburg gelaufen und ich fand es schön, ausnahmsweise mal in Gesellschaft zu laufen.

Von Stedten nach war es sehr angenehm. Erfurt hat mich nett begrüßt indem ich gleich am Anfang der Innenstadt ein gut ausgestattetes Handarbeitsgeschäft gefunden habe, in dem ich starke Nadeln festen Zwirn kaufen konnte, da die Schlaufen an meinem Gurt sich noch einmal gelockert hatten.

Nachdem ich in der Herberge eingecheckt habe, wurde ich Zeuge, dass zwei Mitarbeiter das Fehlen einer Computermaus beklagten. Ich habe mich daraufhin angeboten, in die Innenstadt zu fahren und eine neue zu kaufen. Das passende Fahrrad dazu gab‘s auch. Allerdings war es platt und ich musste auf der Fahrt eine Luftpumpe ausleihen um die schrägen Überfahrten über die Straßenbahnschienen zu stemmen. Danach hatte ich wieder ein Steinchen mehr Heimweh (in diesem Fall nach meinem schönen Fahrrad).

Nach der Näharbeit habe ich mir den Fotoapparat geschnappt und bin noch mal in die Stadt gegangen. Über die Festung, über den Dom, und über die Kirmes. Warum sie wohl den Dom gleich neben die Kirmes bauen (Scherz)? Schön fand ich auch den Hasen im Stadtgebiet. „Now I know how the bunny runs!“.

Danach bin ich genüsslich durch die Innenstadt gemurmelt, habe mir mein Abendessen gekauft, und festgestellt, dass ich außerdem essen und trinken nichts möchte und nichts brauche. Das vielleicht noch zu den Erkenntnissen. Bevor ich in die Herberge kam, habe ich mir im angeschlossenen Restaurant mein Freibier(e) geholt und mich in der Theke nett mit dem Keeper unterhalten.

Danach ins Hostel und gemütlich zu Abend gegessen. Später kam Reinhild noch in die Küche, sie kam aus dem Kino und war auch eine Pilgerin. Sie ist den Jakobsweg nicht von Görlitz aus gelaufen, sondern kam von Berlin runter und ist irgendwo eingeschwenkt. Zu dem Zeitpunkt hatte sie schon ca. 100 km mehr gelaufen als ich. Hut ab.

ÜN: Opera Hostel, schön renovierter Altbau. 5-Bettzimmer, diesmal mit Gesellschaft. Eher keine Pilger. Sehr nettes Personal, gemütliche und gut ausgestattete Küche mit Aufenthaltsraum. Lecker Frühstück.


09.10.2019 Mittwoch
von Erfurt nach Gotha

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
angenehmabends 32,10 plus 5 6:49230 m137 m

Von Erfurt nach Gotha habe ich angenehme Erinnerungen. Es begann zwar mit 100 Höhenmetern, danach hielten sich die Steigungen aber in Grenzen. Es war relativ kühl und trocken, aber auch hier gab es die lehmigen Wege, wie schon in den letzten Tagen.

ÜN: Sehr negative Erfahrung. Pilgertelefon der Versönungskirche seit Tagen nicht besetzt. Bin trotzdem zur Adresse gelaufen um zu sehen, ob „jemand zu Haus ist“. Also nach 32 Km noch mal 2 Km bergauf um dann vor verschlossener Tür zu stehen. mehrere Klingeln mit der Aufforderung, sie alle durchzuklingeln, mehrere Telefonnummern. Die Festnetznummer (AB) teilte dann mit, dass derzeit das Pilgerzimmer nicht belegt werden kann. Dann Zimmersuche via Telefon. Mittlerweile strömender Regen. Berg wieder runter, einkaufen und den gegenüberliegenden Berg wieder rauf.
Belohnung – ein schönes Hotelzimmer mit allem (!) Komfort. (kein Valet-Parking für meinen PiWa!)
Liebe Versöhnungskirche – Euch gegenüber möchte ich jetzt bitte unversöhnlich bleiben!


10.10.2019 Donnerstag
von Gotha nach Eisenach

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kühlnachlassend 36,40 8:11 389 m489 m

Wunderschönes Frühstücksbuffet in meinem schicken Hotel. Zum Start morgens war es noch ein wenig regnerisch, das hat sich im Lauf des Vormittags etwas gelegt. Gegen Mittag gab‘s aber noch ein Schub Nässe. Relativ kühl war es auch. Der Weg war relativ angenehm, bis der große und der kleine Hörselberg kamen. Landschaftlich sehr schön, man hat einen tollen Blick auf die kommenden Thüringer Berge.

Der Aufstieg war steil, der Weg über den Kamm zum großen Teil ein schmaler Fußpfad, der Abstieg sehr beschwerlich, weil es teilweise sehr steil hinunter ging, weil Eisenstangen, die früher Stufen gehalten hatten, aus dem Weg herausstanden (aber eben nur ein paar Zentimeter) und die steilen Stellen beim Abstieg viele Wurzeln hatten auf den man sehr leicht ausrutscht. Diese waren teilweise auch noch von Laub bedeckt.

Während ich das hier schreibe, setzt sich vor der Satellitenaufzeichnung diese Strecke und gucke von oben auf den Berg und die gelaufene Strecke.

(Anmerkung für Pilgerwagenfahrer) Man hätte diesen Berg locker südlich oder nördlich umgehen können. In Anbetracht der Gesamtstrecke und der Tatsache, um 18:00 Uhr eintreffen zu müssen – ich hätt‘s getan!

In Eisenach habe ich Reinhild getroffen, die ich schon in Erfurt kennengelernt habe. Wir waren abends zusammen im Thüringer Kartoffelhaus essen, und es war sehr gemütlich. Ich glaube, Reinhild ist die Einzige, die ich getroffen habe, die noch schneller unterwegs ist als ich. Daumen hoch. Reinhild ist am nächsten Tag mit der Bahn nach Weimar gefahren und möchte den Pilgerweg im Januar beenden.

ÜN: Diakonissen Mutterhaus. Besonders freundlicher Empfang. Bei Anrufen schneller Rückruf. Toll. Auch als mir der Weg lang und die Zeit knapp wurde (bis 18:00) wurde per Telefon angeboten, noch etwas zu warten. Das Mehrbettzimmer im Keller war einladend, es gab eine schicke Dusche und eine Kochgelegenheit. Könnte ich Sterne vergeben, hättet Ihr die maximale Punktzahl.


11.10.2019 Freitag
von Eisenach nach Wünschensuhl

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kühl, angenehmnein20,304:10373 m481 m

Ursprünglich als kurzer Weg (verhältnismäßig) bis Oberellen geplant. In Eisenach relativ steil hinauf zur Wartburg. Kurze Besichtigung der Burg, aber nur aus dem Burghof heraus. Ich habe dort eine Weile gesessen und fand es irgendwie unwirklich, unter Menschen zu sein, die mit dem Auto gekommen und schon erschöpft waren, auf den Berg zu steigen.

Nach dem Verlassen der Wartburg nun zu 100 % im Thüringer Wald. Im Verhältnis zu den bisherigen Strecken kamen mir verhältnismäßig viele Wanderer entgegen. Der Weg war sehr schön, mit etwas mehr Sonne wäre perfekt gewesen.

Die Wanderer waren nach kurzer Zeit erklärbar, der Jakobsweg vereinigte sich teilweise mit dem Rennsteig. Bei der Ausschilderung des Weges war die Muschel nur eines unter vielen Zeichen.

In Oberellen gab es ein Problem mit der Unterkunft. In diesem Falle war das begründbar und die Familie Stützel hat sich so gut um mich gekümmert, dass das absolut verzeihlich war. Ich musste also weiter nach Wunschensuhl, war aber ganz sicher, eine Unterkunft zu finden. Das war mir auch angenehmer als in Oberellen zu beleiben, da Wunschensuhl eher die Hälfte der Strecke von Eisenach nach Vacha markierte. Ich hatte noch Kraft und brauchte die 5 Kilometer morgen nicht mehr zu laufen.

ÜN: Unterkunft in der Pilgerwohnung. Leider auch hier keine Einkaufsmöglichkeit, aber durch die Fürsorglichkeit der Herbergsbetreuer war der Kühlschrank ausreichend gefüllt und Getränke gab es auch. Vielen Dank dafür! Nettes Gepräch mit Frau Common, die fragte, ob alles OK ist.


12.10.2019 Samstag
von Wunschensuhl nach Vacha

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
angenehm, sonnignein 19,744:17280 m305 m

Die letzte Strecke fiel auf einen Samstag. Uns hat sich aus an gefühlt, wie Wochenende. Ich habe die Schlüssel für die Wohnung beim Nachbarn in den Briefkasten geworfen und bin so früh unterwegs gewesen, dass das ganze Dorf noch geschlafen hat. Die Gegend hat mich sehr stark an das Siegerland erinnert. Die Kühe waren aber, glaube ich, teilweise bayerisch. Am Vorabend habe ich einen kurzen Spaziergang zum Dorffest gemacht, um ein Würstchen zu essen. Dort habe ich mich mit mehreren Leuten unterhalten und erfahren, dass die unterschiedlichen Dialekte teilweise auf die Nähe zum Frankenland zurückzuführen sind. Ich bin nicht sicher ob ich das richtig wiedergebe, aber wie schon an anderer Stelle erwähnt, muss ich dringend meine Kenntnisse in Sachen „Heimatkunde“ aufpolieren.

Zurück zum Weg: das Wetter war den ganzen Weg über wunderschön, der Weg durch die Wälder war erfrischend, und obwohl ich ungewohnt traurig war, weil es sich um den letzten Tag handelte, als der Weg geschafft meine Traurigkeit weg zu blasen. Als ob mir die Via Regia noch einmal zugewinkt hätte und zeigen wollte, wie schön sie war.

Im letzten Dorf vor Vacha hatte ich noch zwei Erlebnisse, an die ich mich gerne erinnern werde. Zum einen die Tafel der Fußpflegerin (siehe Foto), die mich erheblich zum Lachen brachte, weil ich es als perfektes Marketing empfinde, Fußpflege an einem Wanderweg anzubieten. Man hätte auch fragen können „warum so spät“, aber besser spät als gar nicht!

Zum zweiten stand eine sehr alte Dame am Wegesrand, die meinen Pilgerwagen betrachtete und laut ausrief „hier sind ja schon viele vorbeigekommen, aber so etwas intelligentes habe ich noch nicht gesehen!“.

In der Herberge habe ich mich mit Frau Schott unterhalten, einer der Betreuerinnen, und ihr davon erzählt. Frau Schott hat das dann etwas nach unten korrigiert, in dem sie mir erklärte dass sie schon 2-3 Pilger mit Wagen beherbergt hat. Gefreut habe ich mich trotzdem. Am späten Nachmittag bekam ich noch Gesellschaft durch Heidi und Christian. Die beiden auch fleißige Wanderer, die schon viele Kilometer hinter sich haben, sich noch viele wünschen. Viel Spaß Euch beiden!

ÜN: Herberge „Kemenate Vacha“. Die im Pilgerführer ziemlich karg beschriebene Herberge. Statt der schmalen Ankündigung total gemütliche Wohnräume, eine gut ausgestattete Küche und eine Badewanne. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Liebe Menschen vom Pilgerführer -> bitte ergänzt doch wenigstens die Ergänzung um die Goodies in Vacha.

Herzlich willkommen