Via Regia – Tag 6 bis Tag 10

28.09.2019 Samstag
von Königsbrück nach Grossenhain

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
warm, Gegenwind, starkspäter 32,25 6:2899 m140 m

Beim Start war es noch etwas regnerisch und trübe, dann wurde es aber sehr sonnig und es war optimal zum Laufen. Ich kann mich an keine großen Steigungen, weder rauf noch runter, erinnern. Da ich das GPS wegen des Risses in meiner Jacke nicht mehr in der Brusttasche tragen konnte, dachte ich meine Möglichkeiten nach, das Gerät um den Hals zu tragen. Wie üblich (Gustav-Gans-Glück!) tauchte nach einem weiteren Kilometer eine Seilerei auf. Als Pilger nahm ich mir das Recht heraus, trotz der Tatsache, dass Samstag war, zu klingeln. Freundlicherweise schenkte man mir 1 m Seil und der GPS konnte baumeln.

Gegen Mittag kam ich endlich an das lang erwartete Haltestellen-Häuschen. Da im Lauf des Vormittags der Wind sehr aufgefrischt hatte, war es angenehm, 20 Minuten im Windschatten zu sitzen. Während meiner Pause näherten sich zwei Damen mit Rucksack. Die beiden waren auch auf dem Jakobsweg unterwegs.

Wir haben uns kurz über mögliche Herbergen auf dem nächsten Weg ausgetauscht. Martina und Lucia hatten schon gerastet und gingen weiter.

Nach meiner Pause hatte ich den Eindruck, dass der Wind noch zugelegt hat. Es gab zwar ein paar Richtungswechsel aber im Wesentlichen kam der Wind von vorne oder vorne links. Das wurde so stark, dass es Schwierigkeiten gab, mit den Stöcken zu laufen, weil die mir in die Füße geblasen wurden. Dieser Zustand hielt tatsächlich die letzten 10 km an.

Nach meiner Ankunft in Großenhain wurde ich in die Hausordnung der Pilgerwohnung eingewiesen und bin gemütlich zum Einkaufen gegangen. Als ich das Haus verließ, kamen Martina und Lucia gerade an. Ich hatte sie am Nachmittag unbemerkt überholt, als sie rasteten.

Die beiden erzählten mir später, dass sie sich jedes Jahr je nach Wetter und Zeit treffen, um ein weiteres Stück des Jakobsweges zurückzulegen.

ÜN: in der Herberge „auf dem Sternenweg“. Richtiges Pilgerquartier. Alles da, was man braucht, Küche, Dusche, Geschäfte in der Nähe. Frühstück als Selbstversorger. Bäcker hatte übrigens trotz Absage auch am Sonntagmorgen auf.


29.09.2019 Sonntag
von Grossenhain nach Strehla

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kühl, Windnein 30,00 5:36143 m159 m

Morgens erst einmal 2 km warm gelaufen (ich hatte meine Stöcke in der Wohnung stehen lassen!). Muss wohl eine Alterserscheinung sein. Ich hätte gewettet, dass mir so etwas nicht passieren kann, weil ich ausschließlich mit Stöcken laufe. Naja.

Es war wieder ein wunderschöner Sonntagmorgen. Kein Regen, aber kühl. Gleich am Anfang ging es über den Berg, danach wurde es zunehmend „glatter“. Ab Mittag wird es wieder windiger und der Himmel zog sich etwas zu.

Ich war neugierig auf die Elbe. Als sie endlich in Sicht kam, war ich etwas enttäuscht, weil sie doch kleiner war, als erwartet. Ich hatte sie vor ein paar Jahren in Dresden gesehen und erwartet, dass sie weiter stromabwärts noch breiter werden müsste. Die letzten Kilometer vor Strehla teilte ich mir den Weg mit diversen Radfahrgruppen. Kurz vor Strehla kam ich an einem seltsamen Areal vorbei, einer Wiese neben der Elbe, ca. 500 × 200 m auf der in regelmäßigen Abständen vollflächig eine Menge Lichtmasten in aufgestellt waren. Ich habe keine Vorstellung, wozu die gut sein sollen. Matschparkplatz? Yachthafen bei Hochwasser?

An der Elbe muss sich die Glocke betätigen um den Fährmann herüber zu locken. Henry Sasch (ich hoffe, ich hab den Namen richtig geschrieben) und ich hatten eine launige Diskussion über das Wechselgeld, dann über den Fall der Mauer, über Ossis und Wessis und die Menschheit im Allgemeinen. Die Fahrt dauerte 5 Minuten, die Diskussion 1 Stunde. Danach in die Pension und ausgiebig relaxed. Abends Essen im Restaurant. Man gönnt sich ja sonst nichts.

ÜN: Pension Benisch, dort wider Erwarten die lang ersehnte Badewanne verfügbar. Tolles Frühstückbuffet. Habe das einzige Souvenir der Reise nach Hause bestellt – einen Breslauer Mohnstrietzel aus der Bäckerei. Scheint eine gute Idee gewesen zu sein. Conni lobt ihn sehr, den Strietzel. Gibt es auch online.


30.09.2019 Montag
von Strehla nach Dahlen

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kalt, Sturm v. v.ja, flach 17,64 3:38 284 m 244 m

Das Wetter war beim Start schon ausgesprochen ungemütlich. Nach den ersten Steigungen der Strehler ging es mehr oder weniger ungeschützt gegen den starken Wind voran. Der Wetterbericht meldet für heute „Frischer W-NW-Wind mit Sturmböen um 80 km/h, schwere Sturmböen um 100 km/h“. An manchen Tagen war der Wetterdienst zu meinen Gunsten im Irrtum, heute nicht. Ich glaube mich online für diesen Tag informiert zu haben und habe die Ankündigung für Sturmböen bis 120 km/h gefunden.

Vom Wetter her war dies der härteste Tag. Der Wind kam auch nicht alleine, brachte waagerecht fallenden Regen mit. Wenn ich mich richtig erinnere, waren aber auch diese Umstände kein Grund für schlechte Laune. Solange mir kein Baum auf den Kopf fällt, weiß ich, dass dieser Tag vorbeigehen wird. Irgendwann.

Erfreulicherweise hatte ich heute etwas weniger als 20 km zu gehen. Am Ende der Strecke erhielt ich meine Belohnung – ein schönes, komfortables Zimmer für mich alleine mit Dusche und Fernsehen. Die Lindenpension bestand ursprünglich aus einer großen Scheune, bei der die obere Etage mit Zimmern ausgebaut war und hinter einer großen Glasfront ebenerdig einen Aufenthaltsraum mit Küche bot. Das Wetter hatte sich mittlerweile etwas beruhigt und ich besaß noch Kapazität, ein wenig was vom Ort zu sehen und für den Abend und den nächsten Tag einzukaufen. 4 Kilometer Add On.

ÜN: Lindenpension. Moderne Zimmer mit Dusche. Gemütliche Küche und Frühstück. Netter Kontakt. Für den tollen Service und das gemütliche Zimmer günstig.


01.10.2019 Dienstag
von Dahlen nach Wurzen

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kühl, windigmorgens 24,10 4:31 156 m202 m

Nach dem gestrigen Tag konnte das Wetter nur besser werden. Als ich los lief, hat es noch geregnet. Im Laufe des Vormittags wurde es sogar trockener und irgendwann kam sogar die Sonne raus. Der Wind war immer noch kräftig, aber erträglich.

Dafür merkte ich, dass die Deichsel meines Wagens sich an der Klemme lockerte. Diese war vom Hersteller mit Heißkleber eingeleimt und ursprünglich auf eine radiale Belastung ausgelegt, nicht aber auf eine axiale. 2 km weiter, in Körlitz, kam ich an einem sehr großen landwirtschaftlichen Betrieb vorbei und traf auf einen Herrn im gleichen Alter. Diesen bat ich um Schmirgelpapier, Verdünnung und einen sehr kleinen Imbus- Schlüssel. Der freut sich, mir helfen zu können, verschwand kurz in seiner Werkstatt und kam nach 5 Minuten mit dem Material wieder zurück. Wir haben dann zusammen in weiteren 5 Minuten die Schelle und die beiden Fiberglas-Stücke gereinigt und angeschliffen. Den Schlüssel habe ich mir als Geschenk erbeten, da er bei seinen landwirtschaftlichen Maschinen mit großer Sicherheit kein 3 mm Imbus-Schlüssel brauchen wird. Das fanden wir beide witzig.

Der Versuch, in Richtung Unterkunft noch einen Baumarkt in meinen Weg zu integrieren, bescherte mir ein, zwei kleine interessante Umwege. Ich habe meinen gewünschten Kleber bekommen. Den Wagen hatte ich ab Körlitz mit der Hand geführt.

Die „Kräuterfee“ erwies sich als ein sehr interessantes Warenhaus für Naturprodukte in der Innenstadt von Wurzen. Die Inhaberin, Frau Müller residierte mit ihren Produkten in einem denkmalgeschützten Gebäude, das die Möglichkeiten zur baulichen Veränderung ausschloss. Unter anderem aus diesem Grunde fand es Frau Müller zweckmäßig, die freie Wohnung als Pilgerwohnung anzubieten. Durch die freundliche Aufnahme wurde aber ganz schnell deutlich, dass es hier nicht um eine Geschäftsidee ging, sondern um die Förderung des Pilgergedankens.

In der Wohnung gab‘s relativ viele Produkte, die sich mit der Via Regia und den Pilgern im Allgemeinen in Verbindung bringen lassen, insbesondere Bücher und Schriften. Dort konnte ich die Information finden, dass der Weg des nächsten Tages nach Leipzig als schwierig beschrieben wurde. Da ich der Klebestelle am Wanderwagen mindestens 12-15 Stunden Ruhe gönnen wollte, entschloss ich mich, am nächsten Tag lieber über Teer zu rollen und suchte einen alternativen Weg.

Ich bin abends noch zum Einkaufen gegangen und habe einige, wie ich finde, schöne Fotos geschossen.

ÜN: In der Wohnung, die die „Kräuterfee“, Frau Müller, müden Pilgern zur Verfügung stellt. Frühstück als Selbstversorger oder gegen Spende mit den Bio-Produkten aus dem Kühlschrank.


02.10.2019 Mittwoch
von Wurzen nach Leipzig

TemperaturRegenKmZeitraufrunter
kühlwenig 32,50 6:1161 m53 m

Heute wieder Start im Regen. Da der Wanderwagen Ruhe (relative…) verordnet bekommen hatte, versuchte ich, einen Weg über geteerte Straßen südlich der B6 zu finden. Das führte mich teilweise über Landstraßen, zu mindestens aber nur über solche, die ein moderates Verkehrsaufkommen hatten. Der eigentliche Pilgerweg wäre nördlich der B6 verlaufen. Den neuen Weg mit dem kleinen GPS-Bildschirm auszuarbeiten, fand ich ausgesprochen sportlich. Es ist mir aber gelungen, keine überflüssigen Kilometer einzubauen. 12 km vor Leipzig sah ich wieder meine erste „Muschel“.

Die Strafe für meine eigenmächtige Änderung des Weges folgte aber der Muschel auf dem Fuße. Genau an dieser Stelle endete der Jakobsweg (vorübergehend). Hier hätte man die A 14 mittels einer Brücke überschreiten sollen. Leider war die Brücke im Abriss und der Neubau war noch nicht fertig. Also wieder retour, eine Umgehung nach Süden, ein Weg, der parallel zu den Eisenbahnschienen die Autobahn unterschreitet. Dieser Umweg war ca. 2,5 km lang. Daher kam ich in Summe wieder auf eine Strecke von deutlich über 30 km. Der restliche Weg nach Leipzig führte durch die Vororte, wie sie in allen großen Städten zu sehen sind. Geschäfte und Industrie. Meine Unterkunft war mitten in der Innenstadt. Hier gab es auch eine Globetrotter-Filiale, in der ich noch ein paar Kleinigkeiten für meine Ausrüstung kaufen konnte.

Nachdem ich mein Quartier bezogen hatte, bin ich noch zum Einkaufen, Fotografieren und Bummeln losgezogen. Auf dem bereits installierten Weihnachtsmarkt (oder Oktoberfest?) Kam ich in den Genuss einer Bigband mit Sängern. Danach wieder ins Hostel, gratis vegetarisches Reste-Essen und danach in der hosteleigenen Bar noch zwei Bier. An der Theke mit einem netten Schweizer aus Basel Benzingespräche geführt, dann ins Bett.

ÜN: Five Elements Hostel. Viele Gäste, allerdings keine Pilger. Alles modern und sehr sauber. Top organisiert, sehr nette Menschen im Service, üppiges Frühstücksbuffet.

Herzlich willkommen